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Markantes Doppelmehrfamilienhaus an der Saumstrasse

Wird das Sihlfeld unbezahlbar?

Schwindelerregend teure Hausverkäufe sorgen in Zürich Diskussionen und befeuern die Angst um steigende Mieten. Auch im Sihlfeld.


Pete Mijnssen, Text und Fotos

Gleich mehrere Hiobsbotschaften zu Hausverkäufen waren in den letzten Monaten zu vernehmen: Verkauf eines 5-Mehrfamilienhauses an der Bertastrasse für über 5 Millionen Franken, Verkauf eines 10-Familienhauses an der Zurlindenstrasse 218 für über 11 Millionen. Und Ende letzten Jahres wurde ein Doppel-Mehrfamilienhaus an der Saumstrasse 49/51 mit 20 Wohnungen und zwei Gewerbelokalen im Innenhof zum Anfangspreis von 15.5 Millionen angeboten. Dies sind nur drei aktuelle Beispiele.

Explodierende Immobilienpreise
Damit sind in Wiedikon die Hauspreise in den letzten Jahren geradezu explodiert. Ist das die Folgen der Gentrifizierung, welche die ganze Stadt Zürich erfasst hat, oder passend zum Kreis-3 – die Folgen der Weststrassen-Aufwertung zum Trendquartier? Es ist leider eine Entwicklung, welche in ganz Zürich zu beobachten ist. In den letzten Jahren war ein Hauskauf aufgrund der tiefen Zinsen ein lukratives Geschäft – wenn auch immer mehr für institutionelle Anleger und Pensionskassen. Private Bieter haben aufgrund der enorm gestiegenen Preise nur noch selten Chancen, zu einem Objekt zu kommen. Die kürzlich eingetretene Zinswende müsste Druck vom Immobilienmarkt nehmen. Davon gehen zumindest Experten aus. Nur zu merken ist davon noch nicht viel. So blätterte der Käufer im Fall des Mehrfamilienhauses an der Zurlindenstrasse umgerechnet pro Wohnung 1 Million hin. Dies ist der Preis für eine Eigentumswohnung. Macht man eine normale Renditerechnung, so müsste eine Wohnung weit über 3'000 Franken Miete pro Monat kosten – vor einer allfälligen Renovation. Die jetzigen Mieten liegen unter 2'000 Franken. Ob sich das die jetzigen Mieterinnen und Mieter noch leisten können?

Mehr kleine und teure Wohnungen
Eine ähnliche Entwicklung bahnte sich auch an der Saumstrasse an, wo der Kaufpreis «vor» Renovation eine Verdoppelung der Mietpreise zu Folge gehabt hätte. Heute kostet dort eine Wohnung im Schnitt um 1500 Franken. Rechnet man die Sanierungskosten hinzu, schraubt sich eine solche Miete leicht ins Doppelte. Dass sich damit auch der Bevölkerungsmix verändert, ist am Beispiel Bertastrasse 84, oder bei der neuen Überbauung Ecke Goldbrunnenplatz zu sehen: mehr und teure Wohnungen auf kleineren Grundrissen. Dass sich «das geliebte Dörfli», wie ein Nachbar noch vor ein paar Jahren schwärmte, grad kräftig ändert, liegt auf der Hand.


Über 11 Millionen schwer: 10-Familienhaus an der Zurlindenstrasse.


Bei Handänderungen spielen auch moralische Fragen mit

Immerhin hatte die Geschichte im Fall der Saumstrasse ein Happy-End. Denn die Wogeno konnte das Haus erwerben. Damit blieb die Verkäuferin unter dem anfänglichen Verkaufspreis, wie die Genossenschaft auf Anfrage von QN3 bestätigt. Es gebe auch keine Pläne für «eine Gebäude- oder Dachsanierung.» Die Substanz befinde sich in gutem Zustand, erklärt Simone Pallecchi. Es sei eine glückliche Fügung, dass man mit der Verkäuferin (eine ältere Dame) handelseinig geworden sei. Sehr oft erfahre man von Handänderungen erst zu spät, wenn der Verkauf schon fast abgewickelt sei und meist an den Höchstbietenden veräussert werde. Liegenschaftenverkauf ist eben auch eine Frage der Moral.

P.S. Der Schreibende lebt mit acht Parteien in einem Doppelmehrfamilienhaus, das er zusammen mit weiteren Personen 1986 und 2002 dank «anständigen» Verkäufern erwerben konnte. Die Wohnungen werden kostendeckend vermietet, und die Häuser sind der Spekulation entzogen.